Warum die Deutschen nicht so lange arbeiten wollen
Bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter mit 67 Jahren arbeiten? Das können sich nur die wenigsten Deutschen vorstellen. Sie wollen früher in Rente – oder andere Arbeitsbedingungen im Alter. Das zeigt eine repräsentative Studie.
Kindergarten, Schule, Ausbildung oder Studium, Arbeiten – und dann nach 45 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen. Dieser Lebenslauf war für viele Menschen über Jahrzehnte hinweg quasi vorgeschrieben. Insbesondere Menschen, die im Handwerk arbeiten und bereits mit 16 oder spätestens 18 Jahren das Arbeiten beginnen, dürften mit 61 oder 63 Jahren in Rente gehen.
Das Problem dabei: Um die Finanzierung des Rentensystems sicherzustellen, hat die Bundesregierung nach und nach das Renteneintrittsalter angehoben – erst auf 63 Jahre, dann auf 65 Jahre und mittlerweile auf 67 Jahre.
Auf der Seite der Bundesregierung heißt es dazu:
Ist Ihr Geburtsjahrgang 1964 oder später, können Sie nach 45 Versicherungsjahren mit 65 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen.
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Mehrheit der Deutschen will früher in Rente
Zwischen den Plänen der Politik und der Realität der Arbeitnehmer klafft jedoch eine große Lücke. So hat eine aktuelle Studie des Demographie Netzwerk e.V. (ddn) ergeben, dass mehr als die Hälfte (53 Prozent) aller Erwerbstätigen früher in Rente will.
Je jünger die Befragten sind, desto deutlicher fällt die Tendenz aus. Während der Durchschnitt vor dem 63. Lebensjahr in Rente will, wollen Arbeitnehmer zwischen 18 und 29 Jahren sogar maximal bis zum 61. Lebensjahr arbeiten.
Nur etwa 12,5 Prozent der vom Marktforschungsinstitut Civey befragten Erwerbstätigen geben an, dass sie sich vorstellen können, über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinauszuarbeiten.
Darum wollen die Deutschen früher in Rente
Tatsächlich mangelt es den meisten Angestellten nicht am Wollen, sondern am Können. Das heißt: Mehr als die Hälfte der Befragten sind der festen Überzeugung, dass sie es körperlich nicht schaffen, bis 65 oder 67 zu arbeiten.
Besonders deutlich fällt dieses Fazit bei den Arbeitern mit 90 Prozent aus. Dagegen sagen sogar 25 Prozent der Akademiker, dass sie über das 69. Lebensjahr hinaus arbeiten können. Die Diskrepanz zwischen körperlicher und geistiger Arbeit wird durch die Ergebnisse der Studie mehr als deutlich. Deshalb hilft es auch nicht, ein Rentensystem für alle Arbeitenden zu verwenden.
Es gibt Gruppen, für die eine Regelaltersgrenze von 68 Jahren oder darüber durchaus zumutbar wäre, während für andere Gruppen bereits die heutige Regelaltersgrenze von 66/67 Jahren unzumutbar ist. Dies spricht gegen eine generelle Erhöhung des Renteneintrittsalters und stattdessen für eine nach Arbeitstätigkeit differenzierende Regelung.
Dieses Fazit zieht Hans Martin Hasselhorn. Der Leiter des Fachgebiets für Arbeitswissenschaft an der Bergischen Universität Wuppertal ergänzt:
Die Ergebnisse zeigen aber auch: Ein wichtiger Ansatzpunkt für Politik und Unternehmen sind die Arbeitsbedingungen. Will man Menschen länger im Erwerbsleben halten, müssen die Arbeitsbedingungen vielerorts verbessert werden.
Lösungen für das Rentenproblem: mehr Gehalt und mehr Flexibilität
Eben jener Punkt – also bessere Arbeitsbedingungen – sind der Knackpunkt, damit die Deutschen nicht früher in Rente wollen.
Denn die Arbeitnehmer sagen selbst, dass weniger körperliche Belastung (40 Prozent), mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit (34 Prozent) und mehr Gehalt (28 Prozent) durchaus Faktoren sind, die sich positiv auf den eigenen Rentenwunsch ausüben können.
Es gibt also bereits Lösungen und Wege, um die Rentenproblematik anzugehen. Die Politik und die Arbeitgeber müssen nur Ideen finden, um diese umzusetzen. Ein stupides Erhöhen des Rentenalters – der jetzige Weg – ist dabei der falsche Ansatz.
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