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Till Jagla: „Ich will Sneaker-Geschichte schreiben“


Till Jagla, 41, ist wohl einer der bekanntesten Köpfe in der deutschen Sneaker-Szene: Sieben Jahre New Balance, danach elf Jahre bei Adidas, zuletzt als „Head of Energy“, wo er sich um nicht weniger kümmerte, als die deutsche Traditionsmarke cool zu machen. Wenn einer Plan von der Szene hat, dann er. Dieses Jahr entschied sich Jagla nach langer Planung zum Schritt in die Selbstständigkeit: neue Brand, neuer Schuh, neuer Wohnort. Mit „Flowers for Society“ will Jagla die Industrie aufrütteln und Sneaker-Geschichte schreiben – gespeichert auf der Blockchain.

Das erste Produkt des jungen Hamburger Unternehmens ist auch schon am Start: ein futuristisch aussehender Sneaker, den es aktuell in einer limitierten Edition „im mittleren vierstelligen Bereich“ vorzubestellen gibt. 199,99 Euro kostet der Schuh und kommt mit einem NFT, das den Käufer:innen Zugang in den „Garden of Comfort“ gibt, einer geschlossenen Community, bestehend aus Fans und Sammler:innen.

Wir haben mit Till Jagla über seine Vision für sein neues Sneaker-Metaverse gesprochen.

t3n: Till, du warst bis vor Kurzem „Head of Energy“ bei Adidas. Was macht man da und wie wird man das?

Till Jagla: Genau. Ich habe 2010 im Category-Lead Adidas Originals gestartet und war dann bald Lifestyle-Verantwortlicher, zunächst für den DACH-Bereich, später für Adidas Global. Aber ich wollte immer dichter am Produkt und am Kreationsprozess beteiligt sein, denn ich habe gemerkt, dass ich so mehr Impact haben kann – nicht nur auf die Produkte, sondern auf die Branche und alles, was passiert. In verschiedenen Rollen habe ich mich von da an dann mehr mit Direct-2-Customer und Customization-Themen bei Adidas beschäftigt und parallel die Lifestyle-Brand Pacemaker aufgebaut. Ich sehe mich dabei selbst als Pacemaker.

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Ich wollte immer den Status quo challengen.

t3n: Inwiefern?

Ich habe damals schon gesehen, dass wir als Unternehmen sehr statisch und langsam werden, während sich der Sneaker-Markt genau in die andere Richtung entwickelt hat und sehr dynamisch und agil geworden ist. Damals habe ich dann bei Adidas intern das „Energy“ Konzept gepitcht, was eine Art Hype-Unit ist. Es ging darum, Markenstärke aufzubauen durch „Brand Heat“, also Markenbegehrlichkeit. Diese Begehrlichkeit haben wir versucht zu treiben über Kollaborationen, Lizenzen, Storytelling oder Limited Editions. Alles, was man als „high interest“ bezeichnen kann. Das habe ich in den letzten drei Jahren gemacht.

Till Jagla beim Flowers-for-Society-Release. (Foto: FFS / Sepp Morrison)

t3n: Nun also der Schritt in die Selbstständigkeit mit Flowers for Society. Wie bist du auf die Idee und das Konzept gekommen?

Die Idee für Flowers for Society begleitet mich schon seit drei bis vier Jahren. Ich habe in der Branche zunehmend das Problem gesehen, dass es immer schwieriger geworden ist, die Schuhe zu bekommen, die man haben will, also die heißesten Drops. So habe ich angefangen, von einem geschlossenen Ökosystem zu träumen, in dem es dieses Problem nicht mehr gibt.

t3n: Wenn du sagst, es ist schwierig geworden, an Sneaker zu kommen, dann meinst du Bots, Programme also, die schneller als jeder Mensch einen Kaufprozess abschließen können, richtig?

Ja genau. Diese Sneaker-Bots haben zur Folge, dass begehrte Schuhe auf dem Zweitmarkt landen und dann für sehr viel Geld von den eigentlichen Fans gekauft werden müssen. Daher die Idee mit dem geschlossenen Ökosystem, bei dem der echte Fan im Vordergrund steht.

Beim Flowers for Society Release. (Bild: FFS / Sepp Morrison)

Impressionen des Flowers-for-Society-Release-Events. (Foto: FFS / Sepp Morrison)

t3n: Am 6.11. ging es los mit dem Release eures ersten limitierten Sneakers, dem Seed.One. Das Vorverkaufsfenster ist beziehungsweise war für zwölf Tage offen – bis der Sneaker dann zu einem nach Hause kommt, dauert es aber noch vier bis sechs Monate, da der Schuh für jede Kundin und jeden Kunden produziert wird. Ein bisschen wie beim Crowdfunding. Wieso habt ihr euch für dieses Modell entschieden?

Tatsächlich ist bei uns dieser Vorverkaufsmechanismus im Gegensatz zu Amerika noch recht unüblich. Der Vorteil von Pre-Orders ist, dass man wirklich nur das produziert, was auch nachgefragt ist. Man muss also nicht über Leftovers nachdenken, bestellt wird nur das an Material, was auch gebraucht wird. So ist man nachhaltiger in der Produktion. Ich habe in der Vergangenheit gesehen, wie Ware verbrannt wird, weil sie keine Abnehmer gefunden hat. Das wollen wir mit Flowers for Society, kurz FFS, anders machen. Wir glauben, dass unsere Fans das verstehen und an unsere Mission glauben, nachhaltiger zu produzieren, sodass sie bereit sind, etwas länger auf ihre Sneaker zu warten.

t3n: Wie ist es mit Returns? Also wenn ich jetzt vier Monate warte und dann passt mir der Schuh nicht, muss ich dann nochmal vier Monate auf meinen Umtausch warten?

Naja, eine klassische Return-Policy werden wir nicht haben. Aber wir werden sicherstellen, dass jede:r am Ende des Tages dann auch die Größe hat, die er oder sie braucht. Durch die geschlossene Community, die wir aufbauen, wird auch das Tauschen von Schuhen eine Option sein. Ich möchte, dass die Leute anfangen, anders zu konsumieren. Bewusster.

t3n: Inwiefern?

Dass große Corporations einfach gesagt haben: Bestell so viel du willst und schick so viel du willst wieder zurück, das ist genau das Falsche, was man in der heutigen Situation machen kann. Ein solches Businessmodell ist absolut nicht nachhaltig und damit für mich outdatet. Das muss gekippt werden. Bei Flowers for Society müssen sich die Leute eben ein bisschen mehr damit auseinandersetzen, was sie kaufen, und vielleicht noch ein paar Mal nachfragen, bevor sie etwas bestellen.

Wir wollen zu einem Umdenken beitragen und die Wegwerfmentalität, die die großen Onliner und Corporations eingeführt haben, beenden.

t3n: Worauf habt ihr beim Design geachtet?

Der Seed.One ist extrem effizient, wir haben im Prinzip No-Waste, das war mir bei der Planung sehr wichtig. Trotzdem ist der Schuh bequem und wurde so designt, dass er futuristisch aussieht. Wir wollten den Schuh für 2022 bauen und nicht für 2016 und sind dementsprechend progressiv reingegangen ins Rennen. Zeitgleich musste der Seed.One auf eine Art zeitlos und ikonisch sein. Ich nenne das Airport Visibility. Das heißt, wenn man am Flughafen sitzt und es geht 200 Meter entfernt von dir jemand mit dem Schuh, dann musst du ihn erkennen können. Wenn das der Fall ist, dann hast du als Designer einen guten Job gemacht.

Da ist das Ding: Der Seed.One. (Bild: Flowers for Society)

Da ist das Ding: Der Seed.One. (Bild: Flowers for Society)

t3n: Neben Pre-Order setzt ihr auf vegane und nachhaltige Materialien und Zero-Waste. Trotzdem produziert ihr in Asien. Wieso?

Genau, wir produzieren in Ho Chi Minh City in Vietnam. Einfach, weil ich weiß, dass dort die beste Qualität produziert wird, und im globalen Kontext macht es für uns am meisten Sinn, dort zu produzieren, wo es am effektivsten und am besten ist. Künftig wollen wir unsere Produktionsprozesse auch transparent offenlegen und unserer sozialen Verantwortung nachkommen, indem wir der Bevölkerung vor Ort etwas zurückgeben, zum Beispiel in Form von Bildungsprogrammen für die Familien der Arbeiter:innen.

t3n: Zusammen mit dem Sneaker ladet ihr die Käufer:innen des Seed.One Sneakers in euren virtuellen „Garden of Comfort“ ein. Als Eintrittskarte dient ein NFT, das man zum Schuh dazu bekommt. Was kann ich damit machen?

Ein NFT von uns ist ein Investment in die Zukunft, das heißt dieses NFT wird ja höchstwahrscheinlich stärker nachgefragt sein in einigen Jahren, als es heute ist. Bislang gibt es die Marke ja erst seit wenigen Wochen. In der Zukunft wird es eine FFS-Community und Fans geben und das nicht nur in Deutschland, sondern global. Die Leute, die diesen ursprünglichen OG NFT haben, werden damit immer spezielle Zugriffsrechte haben, auf alles was in Zukunft passiert, also auf exklusive Kollaborationen, Limited Editions, Einladungen zu Events oder exklusive Family-and-Friends Klamotten. Momentan denken wir viel über Kollaboration nach, aber das wird wahrscheinlich viel, viel breiter gefächert sein.

Hast du ein Beispiel, um das etwas greifbarer zu machen?

Unsere NFTs sind wie eine Jahreskarte bei deinem Lieblingsverein.

Mit dieser Jahreskarte kannst du zu jedem Spiel gehen. Wenn du jetzt aber etwas anderes vorhast, den Jahrestag mit deiner Freundin zum Beispiel, dann kannst du deine Karte auch verleihen und jemand anderem die Möglichkeit geben, dieses Spiel zu schauen. Du kannst aber natürlich auch am Ende des Jahres das Ticket nicht weiter verlängern oder verkaufen. Man kann die FFS-NFTs also benutzen, sammeln oder handeln und damit Geld verdienen.

t3n: Wo kann man eure NFTs traden?

Jetzt am Anfang wird es ganz normal tradable sein auf Opensea, der klassischen NFT-Handelsplattform. Mittelfristig wollen wir unseren eigenen geschlossenen digitalen Marktplatz haben.

t3n: Euren eigenen, kleinen Garten also.

Genau, unseren „Garden of Comfort“, wie wir das nennen, wo alles bei uns im Ökosystem bleibt. Also im Prinzip auch jede Transaktion. Aber jetzt momentan ist es natürlich so, dass wir erst mal aus den Gates kommen und das alles aufbauen müssen. Der erste Schritt ist der Aufbau der physischen Experience in Form der Sneaker-Brand. Und dann wird es in einer weiteren Ausbaustufe um all das gehen, was im Metaverse passiert.

t3n: Ursprünglich hattest du die Idee, eine basisdemokratische Bewegung zu starten und FFS nicht allein, sondern mit 20.000 Co-Founder:innen zu gründen. Aus rechtlichen Gründen hat das nicht geklappt.

Eigentlich ist das Konzept immer noch demokratisch, weil wir ja durch die Community die Möglichkeit haben, die Fans mitreden zu lassen. Wir können fragen: „Ey, sollen wir mit Brand A kollaborieren? Ja oder nein? Stimmt ab!“ Oder: „Sollen wir digitale Güter verkaufen?“, oder: „Wie findet ihr das Design?“ Die Community wird ein riesengroßer Vorteil für uns sein und wir glauben, dass wir genau die richtigen Leute dabei haben. Nämlich diejenigen, die unsere Vision verstehen und die sich zu uns committed haben mit dem ersten Kauf. Mit genau dieser Community wollen wir jetzt wachsen und gemeinsam die Branche verändern.

t3n: Und woher kommt diese ganze Botanik in euren Namen – Flowers for Society, Garden of Comfort, Seed.One?

Das ist relativ einfach zu erklären. Wir haben uns zunächst gefragt: Was ist unser Manifest? Auf welchen Werten wollen wir aufgebaut sein? Und da ist es ganz wichtig, dass wir eine Give-Back-Mentality haben, dass wir sehr inklusiv sind und dass wir Werte wie Empathie oder Hoffnung in den Vordergrund stellen. Unsere Marke soll wie eine nette Geste für die Gesellschaft sein. Und was ist eine nette Geste? Eine nette Geste ist, wenn man eine Blume überreicht oder eine Blume empfängt. Jede:r freut sich darüber. Und wir sehen uns halt als Marke, die Gutes tun will, die aufklären will, auch über unsere Produkte hinaus. Das wollten wir auch in den Namen verdeutlichen.

t3n: Wer ist wir? Wie groß ist dein Team?

Unser Kernteam besteht aktuell nur aus drei Leuten, aber wir arbeiten viel mit Freelancer:innen und Agenturen zusammen. An der Markteintrittsphase waren ungefähr 35 Leute beteiligt. Manche mehr, manche weniger. Aber wir wollen natürlich jetzt so schnell wie möglich Leute einstellen und ein Team aufbauen, um die Expertise auch in-house zu haben. 

t3n: Würdest du dich als CEO bezeichnen oder eher als Gärtner oder so?

Ich habe mich tatsächlich bei Linkedin eine Zeitlang Florist genannt, hab dann aber gedacht, dass das viele nicht verstehen. Deswegen habe ich es dann geändert in Founder. Technisch gesehen bin ich CEO, aber das wollte ich nie sein. Das heißt, wenn es da draußen jemanden gibt, der besser als CEO ist, dann soll er oder sie sich gerne bewerben. Ich bin eher die gute Seele. Vielleicht doch der Florist.

Till Jagla, der Pacemaker. (Bild: FFS)

Till Jagla, „Florist“ und Founder. (Foto: FFS)

t3n: Was ist deine Vision? Wo möchtest du Flowers for Society in fünf Jahren sehen?

FFS wird eine der interessantesten, schnellst wachsenden Major-Sneaker-Brands der Welt. Ich will die Industrie aufrütteln. Ich will, dass auch die Major Brands anfangen, anders zu denken. Natürlich gibt es zwei Wege: Einmal kann man natürlich versuchen, das gebetsmühlenartig zu predigen, over and over again. Das werde ich nicht machen. Ich will zeigen, dass es auch anders geht: demokratischer, inklusiver und diverser. Und hoffe natürlich, dass FFS einfach Spaß macht, Leuten ein Lächeln ins Gesicht zaubert und die Community einfach exorbitant groß wird. Ich will Sneaker-Geschichte schreiben.

t3n: Vielen Dank für das Gespräch, Till. 

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