So rechnet Ben McKenzie mit der Kryptoszene ab
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O.C., California, Southland oder Gotham: Wer den Namen Ben McKenzie hört, denkt wohl eher an Fernsehserien als an Finanzthemen oder Kryptowährungen. Doch der 45-Jährige hält einen Bachelor-Abschluss der Universität Virginia in Wirtschaft – und der erwies sich als nützlich, als McKenzie während der Corona-Pandemie auf der Suche nach einem neuen Projekt war.
Nachdem ein Freund, der vor allem für seine schlechten Ratschläge in finanziellen Fragen bekannt war, ihm geraten hatte, in Bitcoin zu investieren, wurde McKenzie hellhörig – und misstrauisch. Er recherchierte, sprach mit Szenegrößen wie Sam Bankman-Fried und Alex Mashinsky – inzwischen beide wegen Betrugs angeklagt und inhaftiert – und wurde sogar vor den US-amerikanischen Senat berufen, um als Experte im FTX-Fall auszusagen.
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Zusammen mit dem Journalisten Jacob Silverman hat Ben McKenzie das Buch Easy Money – Cryptocurrency, Casino Capitalism, and the Golden Age of Fraud geschrieben, das am 18. Juli dieses Jahres erschienen ist (Amazon* | Thalia*). Wir haben darüber mit ihm gesprochen.
t3n: Herr McKenzie, Ihr Buch trägt den Untertitel „Kryptowährungen, Casino-Kapitalismus und das Goldene Zeitalter des Betrugs“. Was macht unsere Zeit zum Goldenen Zeitalter des Betrugs?
Ben McKenzie: Die Vereinigten Staaten von Amerika haben einen Betrüger zum Präsidenten gewählt. Das zeigt uns mehrere Dinge.
Da ist zunächst das schnelle Geld – easy money –, das gerne mit Betrug einhergeht. Dazu kommt aber auch, dass Wirtschaftskriminalität oft nicht strafverfolgt wird. Wenn du genug Geld hast, hast du viel mehr Möglichkeiten und Strafverfolgungsbehörden haben weniger Anreize, gegen dich vorzugehen.
t3n: Welche Rolle spielen Kryptowährungen in diesem Goldenen Zeitalter des Betrugs?
Wir sollten mit ihrem wirtschaftlichen Prinzip anfangen: Kryptowährungen bewirken eigentlich nichts und sind an nichts in der materiellen Welt gebunden. Deshalb sind sie bestenfalls ein Nullsummenspiel. Im besten Fall ist es, als würde man Poker in einem Casino spielen.
t3n: Was bedeutet das?
Wenn wir beide an einem Pokertisch säßen, würden Sie eine Runde gewinnen, oder ich gewinne eine Runde, aber eigentlich schieben wir nur Geld zwischen uns her. Wir setzen das Kapital nicht produktiv ein – und das ist der beste Fall.
Ich habe die Märkte in den letzten zwei Jahren sehr genau beobachtet und mit wichtigen Playern wie Sam Bankman-Fried gesprochen. Es ist ziemlich offensichtlich, dass wir es nicht mit einem legalen Casino zu tun haben, sondern mit illegalen Casinos – von denen viele an Orten wie den Bahamas ihren Sitz haben, wie FTX.
Ich könnte hier noch weitermachen, aber im Grunde gibt es zwei Möglichkeiten: Im besten Fall ist es Glücksspiel, und im schlimmsten Fall ist es Betrug.
t3n: Auch Kryptofans geben zu, betrogen worden zu sein …
Fast alle, mit denen wir [McKenzie und sein Co-Autor Jacob Silverman, Anm. d. Red.] gesprochen haben, wurden gescamt oder betrogen. Aber diese Leute sehen das als ein Übergangsritual, eine lehrreiche Erfahrung. Die Kryptoszene ist berühmt für DYOR – do your own research – mach deine eigene Recherche.
Zugegeben, das ist eine verlockende Philosophie, gerade für junge Männer. Sie beginnt mit etwas, auf das wir uns vielleicht sogar einigen könnten: Du bist selbst verantwortlich für deine Investmententscheidungen. Aber das wird viel weiter getragen: Alles, was dir passiert, liegt in deiner Verantwortung. Egal, ob du betrogen wurdest oder nicht.
Kryptowährungen sind bestenfalls ein Nullsummenspiel.
Es ist verlockend, zu sagen, die haben sich das so ausgesucht, deshalb ist es ihre Schuld, dass sie all das Geld verloren haben. Aber das ist eine sehr gefährliche Sichtweise.
t3n: Inwiefern?
In einer repräsentativen Demokratie müssen Regulierungsbehörden und Gesetzgebung ihre Bürger auch vor sich selbst schützen, wenn es nicht anders geht.
Der Großteil der Menschen verliert bei Kryptogeschäften Geld. Denken Sie nur mal an den sozialen Schaden. Der mag verhältnismäßig gering sein, wenn es um Joe Schmo aus Texas geht, der hat ein paar Tausend Dollar verloren, aber es geht ihm gut und er will zurück ins Kryptocasino. Aber wenn Sie das millionenfach wiederholen, wenn es vielleicht sogar Milliarden Menschen betrifft, dann sehen Sie: Der mögliche Schaden ist immens.
t3n: Was können wir also tun?
Wir müssen wirklich über Regulierung und Strafverfolgung sprechen. Da steht immer noch verdammt viel auf dem Spiel. Binance, die größte Kryptobörse der Welt, ist immer noch aktiv. Dabei hatte sie seit ihrer Gründung viele Probleme. Die SEC [die US-amerikanische Börsenaufsicht] hat Binance verklagt, die CFTC [Behörde, die Future- und Optionsmärkte reguliert] auch, und es heißt, dass auch das Justizministerium eine Untersuchung eingeleitet hat.
t3n: Was noch?
Bildung ist auch ganz wichtig. Ich habe dieses Buch nicht zuletzt geschrieben, um Kryptowährungen zu entzaubern.
t3n: Die Community ist sehr wichtig in der Kryptoszene. Warum?
Das können wir von zwei verschiedenen Seiten betrachten. Von den Mitgliedern der Community – eine seltsame Community in dem Sinne, dass alle reich werden wollen.
Eine seltsame Community, in der alle reich werden wollen.
In diesen Fake-Währungen steckt jedoch kein Reichtum. Aber diese Leute, deren Leben sich hauptsächlich online abspielt, die miteinander über die sozialen Medien kommunizieren, für sie fühlt es sich gut an, Teil eines großen Ganzen zu sein. Gerade weil Kryptowährungen so volatil sind und so gut wie alle alles verlieren werden.
t3n: Sie haben noch eine zweite Seite erwähnt …
Sehen wir uns an, wer den Begriff Community verbreitet: Das sind die Krypto-Executives, die Leute, die diese Unternehmen betreiben. Warum verwenden sie diesen Begriff?
Sie verändern eine Geschäftsbeziehung: Leute stecken echtes Geld in diese Kryptowährungen. Sie hoffen, dadurch mehr echtes Geld zu machen, und das ist eine Investition. Aber sie werden nicht als Investoren oder Kunden bezeichnet, sondern als Mitglieder einer Community. Das verändert die Art und Weise dieser Beziehung sprachlich ganz grundlegend und soll verschleiern, dass sie eine rein geschäftliche ist.
t3n: „Sprachlich“ ist ein gutes Stichwort: Sie schreiben, dass es bei Kryptowährungen oft um Framing und Begrifflichkeiten geht. Können Sie das erklären?
Die ganze Idee basiert auf falschen Annahmen, von denen die einfachste diese ist: Kryptowährungen wollen vertrauensfreies Geld sein, aber das ist kompletter Unsinn, denn Geld ist Vertrauen. Das ist, als würden Sie eine regierungslose Regierung gründen oder eine religionslose Religion. Was Sie meinen, ist Anarchie und Kult. Das funktioniert nicht, wir haben das bereits versucht.
t3n: Und was ist mit der Behauptung, Kryptowährungen seien dezentral?
Bei Kryptowährungen ist fast alles genau das Gegenteil von dem, was es zu sein scheint: Währungen sind keine Währungen, Stablecoins sind nicht stabil und dezentral bedeutet eigentlich zentralisiert.
Die Nummer von bedeutsamen Krypto-Playern ist extrem niedrig; man sieht das an dem Entwurf, der Sam Bankman-Frieds Aussage vor dem Kongress hätte werden sollen, wäre er nicht verhaftet worden. Darunter befinden sich Screenshots einer geheimen Signal-Chatgruppe, in der Schwergewichte wie CZ von Binance, Paolo Ardoino von Tether, Jesse Powell von Kraken und andere waren. Dieser Gruppenchat heißt „Marktkoordinierung“. Sie machen da kein wirkliches Geheimnis draus.
t3n: Wir haben jetzt viel über das Schlechte gesprochen, das Sie in Ihrer Recherche aufgedeckt haben. Gibt es irgendwas, das Sie an Kryptos gut finden – oder zumindest nicht hassen?
Kryptowährungen führen uns wirklich sehr gut vor Augen, wie unglaublich fehlerbehaftet unser aktuelles System ist. Das ist in manchen Bereichen offensichtlich, aber es schadet nicht, daran zu erinnern.
Krypto zeigt uns, dass unser reguliertes Finanzsystem hierarchisch und ungleich ist und ein Ungleichgewicht bei der Informationsverteilung herrscht, das die Elite anstelle der Masse bevorzugt. Das ist alles korrekt. Das Problem ist natürlich nur, dass Krypto das nicht löst, sondern tatsächlich schlimmer macht.
t3n: Was hat Sie bei der Recherche für das Buch am meisten überrascht?
Wie veraltet die Technologie ist, und wie wenig Kryptographen und Informatiker von der Blockchain halten.
Die Blockchaintechnologie ist veraltet.
Die Blockchaintechnologie ist 30 Jahre alt. Distributed Ledgers sind nicht ganz unspannend, aber haben aus mehreren Gründen ein Skalierungsproblem. Und nach 30 Jahren sind die einzigen Anwendungsgebiete Glücksspiel und Verbrechen – beide nicht gerade positiv.
t3n: Wie geht es für Sie weiter? Kehren Sie zur Schauspielerei zurück?
Die Antwort auf diese Frage wüsste ich selbst gerne. Ich kann nur sagen, dass das ein großartiges Abenteuer war und ich die Augen auch weiterhin nach solchen Abenteuern offenhalten werde. Es hat mir großen Spaß gemacht, das Buch zu schreiben, und jetzt arbeite ich an einer Filmdokumentation basierend auf dem Buch, weil ich viele dieser Gespräche mit Leuten wie Sam Bankman-Fried gefilmt habe.
Aber ich werde weiterhin schauspielern und nichts hat mehr dazu geführt, dass ich die Schauspielerei zu schätzen weiß, als zwei Jahre lang an einem Buch zu schreiben. Ich kann es kaum erwarten, wieder auf der Bühne zu stehen.
t3n: Vielen Dank für das Gespräch.