Herzschlagstern wird von Monsterwellen getroffen, die so hoch sind wie drei Sonnen
Wir dürfen es uns vorstellen wie Gezeiten, was da auf dem Doppelstern MACHO 80.7443.1718 passiert. Und tatsächlich, ganz ähnlich den Gezeiten auf unserer Erde, sind auch jene in Sternsystemen von der Schwerkraft beeinflusst. Dazu müssen wir das System Herzschlagstern verstehen.
Herzschlagsterne sind Paare aus eng beieinanderliegenden Sternen, die periodisch in ihrer Helligkeit pulsieren. Das können in etwa mit dem Rhythmus eines schlagenden Herzens auf einem EKG-Gerät verglichen werden, erläutern die Wissenschaftler:innen des gemeinsamen Zentrums für Astrophysik der Harvard-Universität und des Smithsonian-Instituts.
Dabei drehen sich die Sterne in Herzschlag-Systemen auf langgestreckten, ovalen Bahnen. Immer wenn sie sich sehr nah aneinander vorbeibewegen, erzeuge die Schwerkraft der Sterne eine Form von Gezeiten.
Im Zuge dieser Gezeiten dehne und verzerre sich die Form der Sterne, was dazu führe, dass sich die Menge des von ihnen ausgehenden Sternenlichts verändere, wenn sie der Erde abwechselnd mit ihrer breiten oder schmalen Seite zugewandt sind. Diese Schwankungen können gemessen werden.
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Dabei ist das Zentrum für Astrophysik nun auf einen besonders extremen Herzschlagstern gestoßen, dessen Helligkeitsschwankungen etwa 200-mal größer sind als bei typischen Herzschlagsternen. Über ein Computermodell konnten sie feststellen, dass die Ursache dieser Schwankung in gigantischen Wellen liegt, die immer dann über den größeren Stern rollen, wenn sein kleinerer Begleitstern nahe an ihm vorbeizieht. Ihre Erkenntnisse haben sie im Wissenschaftsmagazin Nature Astronomy veröffentlicht.
Laut den Erkenntnissen der Astrophysiker:innen erreichen diese „Flutwellen“ eine so gewaltige Höhe und Geschwindigkeit, dass sie brechen und auf die Oberfläche des großen Sterns stürzen.
„Jeder Aufprall der gewaltigen Gezeitenwellen des Sterns setzt genug Energie frei, um unseren gesamten Planeten mehrere hundertmal zu zertrümmern“, beschreibt Studienleiter Morgan MacLeod die dramatischen Auswirkungen der stellaren Gezeiten.
Das hat auch mit der Größe des Sternsystems zu tun. So hat der größere Stern in diesem System fast die 35-fache Masse der Sonne. Auch ansonsten ist das System nahezu beispiellos.
So schwanken die meisten Herzschlagsterne in ihrer Helligkeit nur um etwa 0,1 Prozent. Die Helligkeitswerte im MACHO 80.7443.1718 indes schwanken um 20 Prozent. „Wir kennen keinen anderen Herzschlagstern, der so stark schwankt“, so MacLeod.
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Mit einem Computermodell des Herzschlagsterns konnte MacLeod ermitteln, dass die Wechselwirkung der Schwerkraft der beiden Sterne massive Gezeiten auf dem größeren Stern erzeugt. Die sich daraus ergebenden Gezeitenwellen erreichen dabei die Höhe von drei übereinander gestapelten Sonnen oder etwa 2,7 Millionen Kilometer.
Dabei würden die massiven Wellen „zunächst als glatte und geordnete Wellen beginnen, genau wie die Wellen des Ozeans, bevor sie sich aufrollen und brechen“. Die enorme Energiefreisetzung aus diesem Vorgang führt laut der Studie dazu, dass die Sternoberfläche immer schneller rotiert und stellares Gas nach außen schleudert.
Dieser gigantische und höchst zerstörerische Vorgang ereigne sich etwa einmal pro Monat, so der Astrophysiker. Es ist klar, dass so etwas nicht ewig so weitergehen kann.
Schon bis jetzt hat der Effekt sich so verstärkt, dass sich der große Stern in MACHO 80.7443.1718 an seinem Äquator um etwa 50 Prozent mehr ausbeult als an seinen Polen. Mit jeder neuen Welle wird mehr Masse nach außen geschleudert. Macleod beschreibt das als „eine sich drehende Pizzakruste, die Stücke von Käse und Soße abwirft“.
In Anbetracht der zerstörerischen Kräfte resümiert er: „Wir beobachten einen kurzen und transformativen Moment in einem langen Sternleben.“
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Trotz der momentanen Einzigartigkeit des entdeckten Herzschlagsterns sind die Wissenschaftler:innen sich einig, dass es sich vermutlich nicht um eine einzigartige Erscheinung handelt. Immerhin würden von den fast 1.000 bisher entdeckten Herzschlagsternen etwa 20 große Helligkeitsschwankungen zeigen. Die seien nicht unbedingt so heftig wie die des nun beschriebenen Systems, aber eben heftiger als der Durchschnitt.
„Dieser Herzschlagstern könnte nur der erste einer wachsenden Klasse von astronomischen Objekten sein“, sagt MacLeod. „Wir planen bereits eine Suche nach weiteren Heartbreak-Sternen, um nach den glühenden Atmosphären zu suchen, die von ihren brechenden Wellen weggeschleudert werden.“