Führerschein fürs Elektroauto? Wie der Kulturkampf ums Auto absurde Züge annimmt
Der Zweck heiligt nicht immer die Mittel. Das musste in den vergangenen Tagen auch die Chefin des EU-Verkehrsausschusses, Karima Delli (Fraktion Die Grünen/EFA), lernen. Mit ihrem Vorschlag zur Führerscheinreform löste sie nicht nur auf politischer, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene eine Welle der Empörung aus.
Dabei ist die Grundidee der Französin gar nicht so verkehrt: Der Straßenverkehr soll sicherer werden – und das Auto nicht länger Vorrang gegenüber allen anderen Formen der Mobilität genießen.
Die dafür vorgeschlagenen Neuerungen muten allerdings geradezu grotesk an: Für Fahranfänger:innen soll ein generelles Tempolimit von 90 km/h gelten. Auf der Autobahn könnten sie so noch nicht einmal einen Lkw überholen. Auch ein Nachtfahrverbot steht zur Debatte. Für junge Erwachsene im ländlichen Raum, für die das Auto die einzige Möglichkeit darstellt, nachts überhaupt rauszukommen, ist das ein Schlag ins Gesicht.
Damit aber noch nicht genug. Denn Fahranfänger:innen sollen mit dem Führerschein der Klasse B künftig nur noch Autos mit einem Gewicht von bis 1.800 Kilogramm fahren dürfen. Erst mit 21 können sie dann in einer zweiten Prüfung den Führerschein der Klasse B Plus erwerben und schwerere Fahrzeuge fahren.
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Der Antriebswende würde man damit einen Bärendienst erweisen, denn die meisten umweltfreundlichen Elektroautos wären dann für Fahranfänger:innen tabu. Denn aufgrund der Batterie überschreiten die meisten vollelektrischen Fahrzeuge die Gewichtsgrenze von 1.800 Kilogramm. Das Absurde daran: Fahranfänger:innen dürften dann zwar weiterhin einen Golf GTI fahren, aber keinen VW ID 3 oder Cupra Born.
Man kann sogar noch weiter ausholen und das Thema Verkehrssicherheit anführen. Denn moderne Fahrzeuge verfügen zum Teil über bis zu acht Airbags und zahlreiche weitere Safety-Features, die allesamt deren Gewicht erhöhen. Vor diesem Hintergrund sollte man sich fragen, wie aussagekräftig das Gewicht eines Autos überhaupt ist, ohne dabei andere Faktoren zu berücksichtigen.
Am Ende des Tages ist aber alles halb so wild. Medial hat die Ankündigung von Karima Delli in den vergangenen Tagen enorm hohe Wellen geschlagen. Sowohl Verkehrsverbände als auch die Politik sind sofort auf die Barrikaden gegangen und haben kein gutes Haar an den Plänen der französischen Grünen-Politikerin gelassen.
Was in der hitzigen Debatte allerdings oft völlig untergegangen ist, ist die Tatsache, dass es sich dabei eben nur um die Vorschläge einer einzelnen Person gehandelt hat. Nichts ist entschieden. Im Gegenteil. Der parlamentarische Prozess steht erst am Anfang und die Wahrscheinlichkeit, dass es tatsächlich Nachtfahrverbote und Ähnliches geben wird, ist äußerst gering. Zumal sogar die deutschen Grünen viele der Forderungen Dellis ablehnen.
Und dennoch treibt die Chefin des EU-Verkehrsausschusses hier ein gefährliches Spiel. Denn sie erhebt populistische Maximalforderungen, die die Mehrheit der EU-Bevölkerung gegen die (an einigen Stellen durchaus sinnvolle) Führerscheinreform aufbringen, noch bevor überhaupt die erste parlamentarische Debatte darüber geführt wurde. Egal, was in den kommenden Monaten an Vorschlägen kommen wird, die Menschen werden stets Nachtfahrverbote und Tempo 90 im Kopf haben und jeder Form von Veränderung ablehnend gegenüberstehen.