Die Jugend schaut nicht nur Shorts
Wer ein Youtube-Video anklickt, der kommt meist nicht ohne Werbung davon. Zwei Clips vor einem Video sind keine Seltenheit – dennoch hat der Werbe-Druck auf die Nutzer laut Youtube-Advertising Chef Dirk Bruns nicht zugenommen. Werbung müsse laut ihm die Zuschauer ansprechen, statt sie zum Abschalten zu bewegen. Die Aufgabe, ansprechende Werbung für die passenden Personen zu machen, habe die gesamte Branche. Was ihr helfen werde? KI.
t3n: Herr Bruns, ist das nur ein Gefühl oder stimmt es: Die Werbung vor und in YouTube-Videos wird immer mehr?
Dirk Bruns: Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen. Immer mehr Werbetreibende sehen, was YouTube für ihre Marke erzielen kann. Sie nutzen die Plattform als Vermarktungstool und das bedeutet ja zwangsläufig mehr Werbung. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass auch in gleichem Maß die Nutzung weiter wächst. Damit verteilt sich die Werbung, die geschaltet wird, auf immer mehr Formate und die relative Menge an Werbung bleibt eher konstant. Das Zweite, was man nicht vergessen darf: Wir haben bei Google und bei YouTube den Grundsatz „User first“. Also schauen wir natürlich, wie wir die Werbung bestmöglich aussteuern können.
Empfehlungen der Redaktion
t3n: Und wie sieht dieses bestmögliche Verteilen aus?
Erstmal machen wir das mit Werbeformaten. Das Gros der Werbung auf YouTube sind überspringbare Anzeigen und Bumper-Ads mit einer Länge von sechs Sekunden. Die Länge der Werbung ist also überschaubar bzw. die Zuschauer:innen können selbst entscheiden, ob sie die Werbung länger sehen möchten. Außerdem haben wir mit dem „User first“-Gedanken einen Algorithmus, der genau schaut, wo und an wen die Werbung ausgesteuert wird. Hat jemand schon viel Werbung gesehen und überspringt häufiger Werbung? Wo ist auf der anderen Seite vielleicht jemand, der offen für Werbung ist? Wir versuchen, den Werbedruck so zu balancieren, dass keiner sich genervt fühlt.
t3n: Dann könnte ich mir ja, durch das permanente Überspringen, leicht ein werbefreies YouTube schaffen?
So einfach funktioniert es nicht. Der Algorithmus nutzt viel mehr Signale als nur das Überspringen. Aber das ist ein wichtiges Thema: Im besten Fall ist der Nutzer oder die Nutzerin ja von der Werbung überhaupt nicht genervt, sondern findet sie interessant und für sich relevant. Das ist eine große Aufgabe für die Werbeindustrie: Je besser Werbung gemacht wird, desto besser ist es für den Nutzer und die Nutzerin. Dazu muss auch die richtige Zielgruppe gefunden werden. Mit unseren Targeting-Lösungen versuchen wir, denjenigen zu finden, der zu der jeweiligen Werbung passt. Meiner Meinung nach sind wir schon sehr weit, dass Anzeigen zum Content-Erlebnis beitragen und nicht mehr als störende Werbung wahrgenommen werden.
t3n: Hätten Sie denn auch einen Tipp, wie Werbung bei YouTube aussehen kann, die funktioniert und nicht nervt?
Der erste Punkt ist die Ausspielung der Werbung. Dabei ist es wichtig, als Werbetreibender die Möglichkeiten, die da sind, optimal zu nutzen. Das geht los mit Frequency Capping – man kann nicht nur sagen, dass eine Person maximal dreimal erreicht werden soll, sondern auch, dass man Personen möglichst genau viermal erreichen möchte. Ich selber möchte als Zuschauer auch nicht immer wieder von der gleichen Werbung verfolgt werden. Das kann also durch das Frequenz-Management umgangen werden. Außerdem helfen unsere neuen KI-basierten Kampagnentypen, bei denen je nach Marketingziel die richtige Zielgruppe mit dem richtigen Format auf dem richtigen Endgerät erreicht wird und die Werbung damit an Relevanz gewinnt. Der zweite Fokus ist die Kreation, die immer noch den Großteil der Werbewirkung ausmacht. Da haben wir beispielsweise eine detaillierte Guidance, das ABCD-Framework, was beachtet werden sollte, wenn Werbung kreiert wird.
t3n: Welche Videos sind denn besonders erfolgversprechend, um darin Werbung zu schalten?
Die Nutzung auf YouTube verteilt sich auf alle unterschiedlichen Genres und Contentformate, da ist es nicht sinnvoll, sich nur auf ein einzelnes Segment zu fokussieren. Werbetreibende sollten weniger über den passenden Content nachdenken, sondern eher über die relevante Zielgruppe und die Marketingziele, die erreicht werden sollen. Zudem verteilt sich die Nutzung über alle Endgeräte: den Desktop, das Mobilgerät und immer mehr den Connected TV. Das bietet viele Chancen, mit der relevanten Zielgruppe in Kontakt zu treten, aber macht die Mediaplanung sehr komplex. Wir sehen jetzt bei unseren KI-basierten Kampagnen-Typen, dass Werbetreibende diese Komplexität in den Griff kriegen und gleichzeitig deutlich bessere Ergebnisse erzielen, wie beispielsweise mehr Reichweite zu einem deutlich günstigeren Tausend-Kontakt-Preis. Ich würde mich von der Content-Denke lösen und sagen: Die relevante Zielgruppe ist das Entscheidende.
t3n: Gibt es denn in Bezug auf AI-basierte Kampagnen auch negatives Feedback?
Nein, es gibt aber an der ein oder anderen Stelle– wie es eigentlich immer bei neuen Entwicklungen der Fall ist – eine Skepsis. Wenn man aus dem klassischen TV kommt, dann weiß man genau, wo die Werbung läuft, man kennt jedes einzelne Programm. Das gibt ein Gefühl von Kontrolle. Das hat früher funktioniert. Jetzt gibt es eine unglaubliche Vielfalt und Diversität an Content und die Nutzung verteilt sich über viele Contentformate und Endgeräte. Mittlerweile ist beispielsweise bei den 14- bis 59-Jährigen, der TV-Zielgruppe, die Sehdauer von YouTube nur auf dem CTV höher als bei jedem einzelnen linearen TV-Sender. Dazu funktionieren auch keine Stereotypen von Altersgruppen mehr: „Die Jungen schauen nur Shorts“ ist beispielsweise nicht korrekt – über die Hälfte der Gen Z nutzt Shorts als Einstieg in Longform-Content. Diese Komplexität der Nutzung lässt sich mit KI in den Griff kriegen und immer mehr Werbetreibende lassen sich von den starken Kampagnenergebnissen überzeugen.
t3n: Wie können Werbetreibende diesen verschiedenen Devices mit verschiedenen Bildformaten gerecht werden?
Die Werbetreibenden, die da schon fortgeschritten sind, haben mittlerweile Creatives für alle verschiedenen Formate, die es gibt. Beim Dreh der Spots muss dann bereits an die unterschiedlichen Formate gedacht werden. Aber KI ist auch da ein gutes Stichwort: Wenn Werbetreibende zum Beispiel nur ein querformatiges Video haben, kann mit unserem KI-basierten Tool “Autoflip” daraus dynamisch ein hochformatiges Video erstellt werden, dass dann bei Shorts eingesetzt wird. Sollte jetzt die Smartwatch als weiteres Gerät dazu kommen, dann braucht man vielleicht ein rundes Format, auch das wird KI erzeugen können. Ich bin überzeugt, dass KI viele Chancen bietet, die komplexe Realität der Nutzung in den Griff zu kriegen und das Maximale aus den Werbekampagnen rauszuholen.