6 Führungsstile – und was ein Führungscoach rät
Zeig mir deinen Führungsstil und ich sage dir, wer du bist? So einfach ist das nicht. „Auch wenn wir es lieben, schwierige Themen in einfache Schemata zu gießen, ein Führungsstil kommt selten allein“, sagt Leadership-Expertin Karin Lausch gegenüber t3n. „Führungsstile sind wie die einzelnen Zutaten für ein Gericht. Die richtige Mischung der Zutaten macht den Geschmack.“
Und damit es noch etwas komplexer wird: „Die jeweilige Kombination von Führungsstilen wählt nicht die Führungskraft allein. Sie wird auch durch die wechselseitige Beziehung zwischen der Führungskraft und den Mitarbeitenden geprägt.“ Auch die Unternehmenskultur, der Kontext, die Strukturen und die Prozesse hätten einen enormen Einfluss auf den Führungsstil. „Dysfunktionen in der Organisation werden meist über die Führung spürbar.“
Karin Lausch hat sechs Führungsstile eingeordnet und in dem Rahmen mit ein paar Klischees aufgeräumt, die Führungskräfte oft sogar selbst kultivieren.
„Mir doch egal, was ihr da macht? Das ist hier sicher nicht gemeint. Denn Laissez-faire zu führen, bedeutet nicht, dass der Führungskraft alles schnuppe ist“, so Karin Lausch. Vielmehr gehe es darum, den Mitarbeitenden zu vertrauen und ihnen freie Hand zu lassen. Natürlich gibt es Ziele, wie diese aber erreicht werden, wird dem Team überlassen. „Dieser Führungsstil ist heute aktueller denn je, jedoch nennen wir ihn anders: vertrauensbasierte Führung trifft es besser.“
Generell findet sich dieser Führungsstil in vielen Branchen. Vor allem in der Software- und Produktentwicklung wird er immer beliebter. „Durch komplexe Umfelder ist der konkrete Weg innerhalb eines Entwicklungsprozesses meist unklar und Teams gehen iterativ und selbstorganisiert vor“, so Lausch.
Vorteile: Viel Freiraum in der Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermöglicht Kreativität und innovative Lösungen. Sie können ihre individuellen Stärken einbringen, weil sie selbst entscheiden können, wie sie arbeiten. Außerdem erhöht das selbstbestimmte Arbeiten das Sinnerleben der Teammitglieder und bindet sie somit langfristig ans Unternehmen.
Nachteile: Durch wenige Vorgaben kann es Mitarbeitenden jedoch auch an Struktur fehlen. Und auch wenn es verlockend sein kann, die Verantwortung bei Misserfolg dem Team zuzuschreiben – am Ende trägt auch hier die Führungskraft die Verantwortung, wie sonst auch.
Dieser Führungsstil wirkt etwas aus der Zeit gefallen, doch es gibt ihn in der Unternehmenswelt durchaus noch. „Hier hat die Führungskraft das Sagen. Sie trifft alle Entscheidungen allein und bezieht ihre Mitarbeitenden nicht mit ein.“ Jedoch nicht unbedingt aus Ignoranz oder Machtstreben, sondern oft aus gut gemeinter Fürsorge. Das funktioniere laut Karin Lausch allerdings nur mit Menschen, die dafür auch zu haben sind. „Die Zusammenarbeit ist organisiert wie in einer traditionellen Familie, in der das Oberhaupt das Zepter hält.“
Heute finden wir diesen Stil vor allem noch in kleinen Familienunternehmen, so Karin Lausch. „Doch auch wenn es unerwartet kommt: Auch in Startups begegnet er mir immer wieder. Gründerinnen und Gründer treffen Entscheidungen häufig ebenfalls allein und binden ihre Mitarbeitenden in ähnlichen Strukturen, nur dass hier weniger die bestehende Tradition und mehr die gemeinsame Vision den Zusammenhalt erzeugen soll.“
Vorteile: Wenn nur einer entscheidet, reduziert das die Komplexität in der Organisation. Einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter empfinden unter Umständen eine hohe emotionale Bindung und weisen großes Vertrauen in die Führungskraft auf.
Nachteile: Die Entscheidungen fallen meist schlechter aus, weil es an Perspektivenpluralität fehlt. Familiäre Strukturen im Arbeitskontext können zudem toxisch werden, weil sie Abhängigkeiten fördern und Macht demonstrieren. Viele Talente akzeptieren solche Strukturen auch nicht. Der Talentpool ist begrenzt.
Servant-Leader verstehen sich selbst nicht als führende, sondern als dienende Vorgesetzte. „Ihre Mission ist es, die Interessen und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden zu wahren und eine Umgebung zu schaffen, in der sie ihr volles Potenzial entfalten können“, so Karin Lausch. Servant-Leader glänzen nicht durch Geltungsbedürfnis und Micromanagemet, sondern durch Bescheidenheit, einen starken Teamgeist, ein hohes Maß an Vertrauen und eine Menge an Empathie.
„Die Scrum-Master-Rolle in agilen Teams ist das perfekte Beispiel für dienende Führung. Ihre Aufgabe ist es, Störungen im Arbeitsprozess zu beseitigen, zu moderieren, methodisch zu begleiten, partizipative Entscheidungsprozesse zu ermöglichen und das Team dabei zu unterstützen, zur Höchstleistung zu finden“, sagt Karin Lausch.
Vorteile: Wenn der Fokus mehr auf Unterstützung statt auf Führung liegt, pusht das die emotionale Bindung und Loyalität. Durch den Fokus auf die Potenzialentfaltung des Teams entstehen bessere Ergebnisse und mehr Impact.
Nachteile: Servant-Leadership bedeutet auch, dass alle führen. Und das ist nicht unbedingt für alle Teammitglieder das Richtige. Wer lieber geführt werden möchte, wird es mit diesem Führungsstil schwer haben.
Bei diesem Führungsstil steht nicht der Mensch, sondern die Transaktion im Vordergrund. „Statt den Fokus auf Beziehungen oder Potenzialentfaltung zu legen, geht es um die Ausführung vorgegebener Aufgaben. Es gibt klare Strukturen und Belohnungssysteme für gute Arbeit“, so Karin Lausch. Statt also auf intrinsische Motivatoren zu setzen, dominieren extrinsische, meist monetäre Anreize. „Die gemeinsame Arbeit reduziert sich auf das Tauschgeschäft von Arbeitsleistung gegen Vergütung.“
Transaktionale Führung wird häufig im Vertrieb genutzt. Den Mitarbeitenden wird dabei unterstellt, sie seien aufgrund ihrer Wettbewerbsaffinität monetär getrieben. Doch was immer wieder missachtet wird – Vertrieb hat sehr viel mit Emotionen zu tun: „Jede Kaufentscheidung wird emotional getroffen, nicht kognitiv. Oft wird dieser Führungsstil daher dem Menschen nicht gerecht.“
Vorteile: Transaktionale Führung setzt Leistung und Bezahlung in eine direkte Relation. Das schafft Transparenz.
Nachteile: Hübsche Belohnungssysteme gibt es auch anderswo. Transaktionale Führung tut nichts für die Mitarbeitendenbindung. Wenn es sich an der nächsten Ecke mehr lohnt, wechseln Teammitglieder schnell den Job. Außerdem: Ein gutes Pferd springt nur so hoch wie es muss? Es könnte sein, dass wir diesen Zustand mit diesem Führungsstil selbst erzeugen. Denn wenn das nächste Ziel nur der Bonus ist, warum dann nicht auch nur für den Bonus arbeiten statt für die übergeordnete Vision? Zudem sorgt der ständiger Wettbewerb um den üppigsten Bonus für Konkurrenz im Team statt für gemeinsame Leistung.
Vorbild sein, das ist der Kerngedanke transformationaler Führung. „Der beste Weg, um andere zu inspirieren, ist es, selbst inspirierend zu sein. Transformationale Führung zeichnet sich deshalb vor allem durch eine hohe Integrität und Zuverlässigkeit aus und priorisiert die Zufriedenheit der Mitarbeitenden“, so Karin Lausch. Statt durch Anweisungen bewegen Führungskräfte ihre Teammitglieder durch Visionen und statt immer nur zu fordern, regen sie an oder machen es einfach vor. „So packen sie selbst mit an und tragen direkt zum Unternehmenserfolg bei. „Transformationale Führung hat sich vor allem in dynamischen Umfeldern etabliert.“
Vorteile: Integrität ist ein Wert, der gerade in unseren spaltenden und von Fake News geprägten Zeiten immer wichtiger wird. Menschen, die also nicht immer nur predigen, sondern selbst für das stehen, was sie erwarten, erzeugen eine hohe Glaubwürdigkeit und damit auch eine hohe Bindung.
Nachteile: Diese Art der Führung erfordert ein besonderes Maß an kontinuierlicher Selbstreflexion und häufig auch eine coachende Begleitung. Denn Vorbild sein heißt meist auch dem System ein Stück weit zu trotzen und das dauerhaft zu tun, ist harte Arbeit.
Empathie ist eine der wichtigsten Fähigkeiten zukunftsfähiger Führung. „Während Glaubenssätze wie: ‚Emotionen zu zeigen ist unprofessionell‘ uns aus alten Zeiten noch in den Ohren dröhnen, wissen wir es heute besser.“ Empathische Führung heißt laut Karin Lausch nicht nur, nett zu sein, sie lege vielmehr großen Wert darauf, dass Mitarbeitende sich gehört und gesehen fühlen. „Empathisch zu führen, bedeutet aktiv die Perspektive des Teams einzunehmen, selbst Emotionen zu zeigen und die eigene Unvollkommenheit offenzulegen.“
Empathische Führungskräfte hören zu, können auch feine und leise Töne in der Kommunikation deuten und erinnern sich an Details, weil sie echtes Interesse an ihren Mitarbeitenden haben. „Empathische Führung findet sich heute vor allem in den Arbeitskontexten, in denen angekommen ist, dass Gefühle bei der Arbeit nicht nur ok, sondern sogar hilfreich sind.“
Vorteile: Empathische Führung fördert ein inklusives Arbeitsumfeld, weil unterschiedliche Perspektiven aller Teammitglieder wahrgenommen und einbezogen werden. Durch das Gefühl, dass alles gesagt werden darf und auch gehört werden will, entsteht eine Kultur der Offenheit, die es leichter macht, auch den Status quo zu hinterfragen und Fehler einzugestehen.
Nachteile: Wer dazu ermutigt, dass Mitarbeitende alles sagen können, muss auch damit klarkommen, was gesagt wird. Der richtige Umgang mit den Emotionen der Teammitglieder kann eine echte Herausforderung sein.
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Deutsche Führungskräfte gelten als aufgabenorientiert und technisch versiert, aber wenig inspirierend. Auch mangelt es ihnen häufig an sozialer Kompetenz. Sprich: Ziele zu erreichen steht im Vordergrund, wie es den Mitarbeitenden dabei geht, eher weniger. Zu dem Schluss kommen diverse Studien. Etwa eine populäre Studie der Hochschule Niederrhein aus 2016.
„Wir sind durch das Industriezeitalter und den Taylorismus mit dem Glaubenssatz sozialisiert worden, dass persönliches Befinden während der Arbeitszeit keine Rolle spielt“, so Karin Lausch. Funktionieren stand im Vordergrund. Doch das ändere sich allmählich.
„Jedes Investment in das Team ist ein Investment in die Zielerreichung.“
„Wir wissen heute, dass Menschen vor allem dann gut in dem sind, was sie tun, wenn sie Sinn in ihrer Arbeit erleben, sich zugehörig fühlen und partizipieren können.“ Durch den Fachkräftemangel und die Forderungen junger Generationen sei es deutlich leichter geworden, für persönliche Bedürfnisse einzustehen. „Wer Ziele über das menschliche Wohlergehen stellt, wird langfristig schlechter dastehen“, so Karin Lausch.
„Umgekehrt ist jedes Investment in das Team gleichzeitig ein Investment in die Zielerreichung. Wirklich erfolgreich werden die Unternehmen sein, die es schaffen, die Bedürfnisse der Mitarbeitenden mit den Unternehmenszielen in Einklang zu bringen.“ Hier setze New Leadership an. „Es vereint dienende, empathische und transformationale Führung und stellt nicht die Prozesse oder die Zielerreichung in den Mittelpunkt, sondern den Menschen.“