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So gehst du mit schlechten Nachrichten besser um

Gerade in Krisenzeiten – sei es eine Pandemie, ein Krieg oder beides – fällt es vielen Menschen schwer, abzuschalten. Dass wir mit unseren Smartphones immer ein Gerät dabeihaben, das uns über sämtliche Entwicklungen quasi in Echtzeit auf dem Laufenden hält, macht es nicht einfacher.




Wenn aus Scrollen Doomscrolling wird

Doomscrolling nennt man es, wenn der Großteil der Screentime oder Mediennutzung dafür draufgeht, negative Nachrichten zu konsumieren. Oft prasseln diese Nachrichten auch noch auf diversen Kanälen auf uns ein – Fernsehen, Radio, Social Media, Websites … Da kann schnell der Eindruck entstehen, wir wären alle dem Untergang geweiht – hier kommt der englische Begriff „doom“ ins Spiel – und alle Hoffnung wäre verloren.

Diese Gefühle der Hoffnungslosigkeit und der Verzweiflung wiederum können bei einigen Menschen zu handfesten psychischen Problemen führen, von Ängsten und Depressionen über Suchterkrankungen bis zu posttraumatischen Belastungsstörungen.




„Fluch und Segen zugleich“

Die Medien an sich sind nicht das Problem, weiß Nicole Krämer von der Universität Duisburg-Essen. (Foto: Land NRW/ Günther Ortmann)

Den Stecker komplett zu ziehen und sich von allen Nachrichten abzuschneiden, widerstrebt uns nicht nur, es geht auch gegen ein menschliches Grundbedürfnis. Nicole Krämer ist Professorin für Sozialpsychologie an der Universität Duisburg-Essen und forscht zu Medien und Kommunikation. Sie erklärt, dass dieses Bedürfnis nach Information – und die damit verbundene Mediennutzung – gerade in Zeiten der Unsicherheit „gesund“ sei. Damit einher gehe noch ein weiteres Bedürfnis: das nach sozialem Austausch. Und hier sind laut Krämer die sozialen Medien natürlich „Fluch und Segen zugleich“ – im Gespräch mit anderen können wir Sichtweisen austauschen und unsere Wahrnehmung auch einem Realitätscheck unterziehen: Vielleicht ist alles ja gar nicht so schlimm, wie es scheint?

Ob der Medienkonsum uns guttut oder nicht, hängt laut Krämer weniger von den Medien an sich ab. Vielmehr sei es eine individuelle Sache, ob wir in eine Handlungsorientierung oder eine Lageorientierung kommen. Menschen in Lageorientierung kreisen gedanklich nur um die aktuelle Situation und emotionale Zustände, nicht aber um Lösungen. Handlungsorientierte hingegen konzentrieren sich auf die Umsetzung bestimmter Dinge und setzen dazu ihre Fähigkeiten und ihr Wissen ein – indem sie also beispielsweise Geld spenden oder ihren Bundestagsabgeordneten einen Brief schreiben.




Doomscrolling: Was können wir dagegen gegen tun?

Sonja Utz forscht zu sozialen Medien am Leibniz-Institut für Wissensmedien und weiß, wie wir Doomscrolling vermeiden können. (Foto: IWM Tübingen / Paavo Ruch)

Was können wir also konkret tun, um nicht in einen Teufelskreis aus schlechten Nachrichten, Katastrophenmeldungen und Perspektivlosigkeit zu geraten, der sich am Ende noch selbst verstärkt? Damit kennt sich Sonja Utz aus. Am Tübinger Leibniz-Institut für Wissensmedien leitet sie die Nachwuchsgruppe „Soziale Medien“ und forscht zum Wissenserwerb über soziale Medien und mobile Kommunikation. Utz rät, dass wir uns beispielsweise ein Limit setzen, „wie oft/wie lange [wir] Nachrichtenseiten oder bestimmte Social-Media-Plattformen besuchen wollen.“ Es könne auch helfen, das Doomscrolling zu ersetzen – „am besten [durch] etwas, das ein klares Ende hat, also zum Beispiel das Wordle des Tages“. Wirklich langfristige Lösungen sind das freilich nicht; Doomscrolling werde erst seit der Corona-Pandemie untersucht, Langzeitstudien gebe es noch keine, erklärt Utz.

Auch sie rät nicht, sich komplett von allen Nachrichten- und Informationskanälen abzuschneiden. Es sei „grundsätzlich gut“, informiert und über Aktuelles auf dem Laufenden zu sein, ebenso habe die Nutzung der Social Media „auch positive Effekte“. Für eine individuelle Regulierung verweist die Expertin auf teilweise vorinstallierte Smartphone-Funktionen wie Androids Digital Wellbeing. Zum Glück können wir viele regulierende Reminder auch automatisieren – über Smartphone-Alarme etwa. Twitter-Nutzer:innen können auch dem Doomscrolling Reminder Bot folgen – der fragt nicht nur alle paar Stunden, ob sie etwa gerade doomscrollen, sondern fordert sie auch auf, ein Glas Wasser zu trinken und sich gerade hinzusetzen.

Ein schlechtes Gewissen, wenn wir uns zeitweise ausklinken, müssen wir laut Utz auch nicht haben – das wäre höchstens angebracht, wenn wir „überhaupt keine politischen Nachrichten“ mehr konsumieren würden. Bereits in der Coronakrise habe sich gezeigt, dass zu viel Doomscrolling zu „schlechterer Stimmung und niedrigerem Wohlbefinden“ führe. „Bei Doomscrolling in der Ukraine-Krise sind also ebenfalls negative Effekte zu erwarten“, vermutet sie. Um hier nicht die Perspektive zu verlieren, rät Utz weiterhin, dass wir uns „auf positive Nachrichten zu anderen Themen fokussieren (zum Beispiel zurückgehende Corona-Zahlen)“. Sähen wir uns mit einem Problem konfrontiert, dass wir kaum beeinflussen könnten – wie etwa ein Krieg –, soll es mehr bringen, wenn wir uns ablenken oder aufheitern – „sei es durch so etwas Banales wie Katzenvideos.“

Akute Hilfe bietet auch die Telefonseelsorge – entweder telefonisch unter 0800 1110111 und 0800 1110222, online per Mail oder Chat und vor Ort.

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