Ist das günstigere E‑Bike der bessere Deal als das S5?
Bei den Topmodellen Vanmoof S5 (Test) und A5 hat der E‑Bike-Hersteller Anfang Mai die Preislatte auf 3.500 Euro gehievt. Der Preis ist für das Gebotene nicht vollkommen übertrieben und ein Zeichen einer neuen Strategie, bei der es nicht mehr um schnelles, sondern „smartes Wachstum“ geht.
Für Kund:innen, die für ein E‑Bike nicht so tief in die Tasche greifen wollen, hat Vanmoof die Modelle S4 und X4 aus der Taufe gehoben. Die beiden neuen Modelle sollen primär E‑Bike-Einsteiger:innen ansprechen, die weniger Hightech suchen, sondern eher einen einfachen elektrisierten Drahtesel für den Alltag.
Die Pedelecs sind mit 2.200 Euro um einiges günstiger als S5 und A5 und liegen so wieder nahezu beim Einführungspreis von S3/X3. Die neuen E‑Bikes können zudem als eine Mischung aus Vanmoof S3 (Test) und X3 von 2020 und den neuen Modellen der 5er-Reihe verstanden werden. Dabei verzichtet der Hersteller aus Kostengründen auf einige Features von S5/A5 – so gibt es weder einen Drehmomentsensor noch die LED-Halo-Ringe im Lenker.
Laut Vanmoof-Mitgründer Ties Carlier war der Wunsch von Kund:innen nach einem E‑Bike, das „simpler, zugänglicher und zuverlässiger ist, besonders stark“. Diesen Wunsch wolle das Unternehmen mit den neuen Modellen erfüllen.
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Vanmoof: Auf S5 und A5 folgen … S4 und X4
Die Namensgebung ist übrigens kurios: Denn bei S5/A5 sagte Carlier, man habe sich unter anderem gegen ein S4 und A4 entschieden, da die Zahl 4 eine Unglückszahl in China und Taiwan sei, wo die Bikes gefertigt würden. Jetzt klingt das Ganze eher nach einem Ablenkungsmanöver, da die 4er-Modelle sicherlich schon im April 2022 auf der Roadmap waren.
Zudem sagte der Vanmoof-Gründer damals, man habe sich gegen die 4 entschieden, da es sich um ein größeres Redesign handle und „nur eine Handvoll Teile“ von den Vorgängermodellen S3 und X3 übrig geblieben seien. „Jedes kleinste Detail, vom Rahmen bis hin zu den Chipsätzen und Sensoren, wurde für das reibungsloseste und leistungsstärkste Fahrverhalten aller Zeiten entwickelt“, so Ties Carlier.
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Die neuen Modelle entsprechen letztlich eher der Rahmengeometrie von S3 und X3, was besonders beim X‑Modell deutlich ist. Dieser kompaktere Rahmen, der von Menschen mit einer Körpergröße ab 1,55 Metern gefahren werden könne, wurde durch das A5 ersetzt. Vollkommen aufgeben wollte das Unternehmen diese markante Rahmenform aber offensichtlich nicht.
Das S4 entspricht derweil dem klassischen Vanmoof-Design, das vor allem durch seinen geraden Querholm auffällt, der über Steuer- und Sattelrohr hinausragt und mit Front- und Rücklicht endet. Das S4 ist wie die weiteren Modelle der S‑Serie für Menschen zwischen 1,70 und 2,10 Meter geeignet. Mit meinen 1,74 Metern passt es perfekt, während sich die X‑Modelle stets ein wenig zu gedrungen anfühlen, aber um einiges wendiger sind.
Die Fahrposition ähnelt der bei S3 und S5: Das Gefährt ähnelt einem Citybike mit Hollandradanleihen, sodass man je nach Körpergröße relativ aufrecht sitzt. Zu Anpassung kann neben der Sattel- auch die Lenkerhöhe mittels Distanzringen angepasst werden. Je nach Sattelposition und Lenkerhöhe und abhängig von der Fahrergröße ist auch eine leicht sportliche, nach vorn gebeugte Sitzposition möglich.
Erhalten bleibt das charakteristische Kicklock am Hinterrad, mit dem ihr mit nur einem Tritt das E‑Bike abschließen und die Alarmanlage scharf stellen könnt. Für schnelle Besorgungen beim Bäcker oder im Supermarkt ist dieses Feature Gold wert. Über Nacht ist bei allen Fahrrädern ein gutes Schloss zu empfehlen.
Das Kicklock von S4/X4 funktioniert wie das des Vorgängers S3/X3, sodass das Rad nach der Entriegelung über einen der Lenker-Buttons (entweder in Kombination per Code oder Smartphone) noch nach vorn oder hinten bewegt werden muss, um das Kicklock ausrasten zu lassen. Bei den Topmodellen geht das von allein.
Feature/Modell | Vanmoof SX3 | Vanmoof SX4 | Vanmoof SA5 |
---|---|---|---|
Antrieb/Motor | Drehzahlsensor, 4-Gang-Nabenschaltung, E-Schaltung |
Adaptive Motorunterstützung und Drehzahlsensor – interne 2-Gang- Getriebenabe, automatische Schaltung |
Drehmomentsensor, 3-Gang-Nabenschaltung, E-Schaltung der 5. Generation |
max Drehmoment | 59 Nm | 59 Nm | 68 Nm |
Sicherheit | Alarm + GPS- und Bluetooth-Standortverfolgung, Kicklock, Apple Find My |
Alarm + GPS- und Bluetooth-Standortverfolgung, 4. Gen Kicklock |
Alarm + GPS- und Bluetooth-Standortverfolgung, Kicklock mit aktivem Rückholstift, Apple Find My |
Interface/Bedienung | 2 Lenkerbuttons, Matrix-Anzeige |
2 Lenkerbuttons mit Entriegelung auf beiden Seiten, Smartphonehalterung |
4 Lenkerbuttons, Halo-Ringe, USB-C-Ladeanschluss, Smartphonehalterung |
Farben | Dunkel, Hell |
Evergreen, Sunbeam Yellow, Purple Fog, Foam Green |
Hellgrau, Dunkelgrau |
Überstandshöhe (Abstand zwischen Fahrer:in und Rad im Stand) | S3: 862 mm X3: 712 mm |
S4: 850 mm X4: 710 mm |
S4: 820 mm X4: 622 mm |
Reichweite | 60 – 150 km | 60 – 150 km | 60 – 150 km |
Gewicht | S3: 21 kg X3: 20,8 kg |
S4: 21,3 kg X4: 20,3 kg |
S5: 23 kg A5: 22 kg |
(letzte/aktuelle) Preise | 2.498 Euro (Einstiegspreis: 1.999 Euro in 2020) | 2.198 Euro | 3.498 Euro Einführungspreis: 2.498 Euro in 2022) |
Im Unterschied zum aktuellen S5 hat Vanmoof dem S4/X4 dickere Reifen verpasst, die sich nach ersten Fahrerfahrungen noch eine Spur besser auf Kopfsteinpflaster verstehen und Unebenheiten ausgleichen. Wie das S5/A5 sind die Laufräder 2,75 Zoll breit und werden von einem Frontmotor mit 250 Watt angetrieben. Der Turbobutton, der rechts am Lenker verbaut ist, beschleunigt das E‑Bike mit einem maximalen Drehmoment von 59 Newtonmetern, was dem des S3/X3 ähnelt.
Dem S5/A5 hat Vanmoof ein Drehmoment von 68 Newtonmetern verabreicht, der das E‑Bike eine Spur schneller auf die erlaubte maximale elektrisch unterstütze Geschwindigkeit von 25 km/h treibt. Der Unterschied zum S4 ist aber nur im direkten Vergleich spürbar. Gebremst wird übrigens mit hydraulischen Scheibenbremsen, die ihre Dienste zuverlässig verrichten.
Der Drehmomentsensor des S5/A5, der für eine sanftere Unterstützung sorgt, ist bei den günstigeren Modellen nicht an Bord. Stattdessen setzt Vanmoof wie beim S3/X3 auf einen Drehzahlsensor. Die Viergangschaltung des S3/X3 hat Vanmoof zum Glück nicht verbaut, sondern setzt bei den neuen Modellen auf eine in die Hinterradnabe integrierte Zweigangschaltung, die per Fliehkraft realisiert ist und je nach Geschwindigkeit hoch- respektive herunterschaltet.
Das Ganze funktioniert durchaus zuverlässig und weit besser als die Viergangschaltung des S3, die beim Hochschalten in den vierten Gang bei vielen Fahrer:innen zum Rattern neigte. Bei höheren Fahrgeschwindigkeiten ist im Vergleich zum S5 eine etwas höhere Trittfrequenz angesagt, was am fehlenden dritten Gang liegt. Bei Single-Speed-Bikes wie etwa dem Cowboy 4 (Test) ist das ähnlich.
Was die elektrische Reichweite angeht, soll der nur für Reparaturarbeiten entnehmbare 478-Wattstunden-Akku wie bei den anderen Vanmoof-Modellen zwischen 60 und 150 Kilometer bieten. Nach ersten Eindrücken dürfte es sich bei der Reichweite wie beim S5 verhalten, das ich zuletzt getestet habe. Nur bei unterster Unterstützungsstufe und ohne Einsatz des Turbobuttons ist die maximale Reichweite erreichbar. Stellt euch besser auf bis zu 60 Kilometer ein, wenn ihr mit Stufe 4 und regelmäßigem Einsatz des Turbobuttons fahrt. Denn zügiges Fahren mit dem S4 macht einfach Spaß.
Bei der Unterstützungsstufe 4 ist beim S4/X4 auf ebener Strecke kaum noch Muskelkraft gefragt, wenn ihr mit Tempo 25 durch die Stadt rollt. Das fühlt sich etwas komisch an, spiegelt aber einen gewissen Komfort wider, der das E‑Bike noch ein wenig mehr zu einem Sofa macht. Etwas mehr „Fahrradgefühl“ bringen derweil die Unterstützungsstufe 2 und 3.
Was mir nach dem Test des Vanmoof S5 bei den neuen Modellen etwas fehlt, ist die Möglichkeit, die Unterstützungsstufe direkt am Lenker einzustellen. Beim S4/X4 (und dem S3/X3) geht das nur per Smartphone oder Apple Watch. Es wäre durchaus wünschenswert. wenn Vanmoof die Regelung der Unterstützungsstufen über den Turbobutton realisieren könnte. Schon der Knopf beim S3/X3 hatte eine Doppelbelegung: ein Doppeldruck auf den Knopf ermöglichte einen manuellen Gangwechsel.
Ist der Akku leer, müsst ihr das gesamte E‑Bike in die Nähe einer Steckdose schleppen, was nicht immer das leichteste Unterfangen ist. Die knapp 22 Kilogramm – das S4 wiegt laut Vanmoof 21,6 Kilogramm, das X4 20,3 Kilogramm – in den vierten Stock durch ein enges Treppenhaus zu hieven ist kein Spaß. Laut Vanmoof dauert ein Ladevorgang etwa 4:30 Stunden, was ich nicht verifizieren kann, aber durchaus realistisch klingt.
Wie die letzten Generationen des Vanmoof-Bikes bietet der Hersteller auch für die neue Modellgeneration die hauseigene Smartphone-App an. Mit ihr könnt ihr entsprechend eure Fahrten sowie jeweilige Geschwindigkeit und Dauer einsehen, ebenso den Akkustand und den Standort des Bikes.
Auch lassen sich Licht, Unterstützungsstufe und der Klingelton auswählen. Zudem dient die App zum Einspielen von Softwareupdates, mit denen neben der Fehlerbehebung auch neue Funktionen einziehen können. Auf diesem Wege könnte Vanmoof etwa neue Klingeltöne oder eine manuelle Auswahl der Unterstützungsstufen für ein S4/X4 per Lenkerbuttons liefern.
Auf die LED-Ringe und das Matrix-Display hat Vanmoof eigenen Aussagen zufolge absichtlich verzichtet, da der Zielgruppe diese Features nicht so wichtig seien. Ihnen gehe es primär darum, von A nach B zu kommen.
Falls dennoch Interesse besteht, zu sehen, wie schnell man fährt oder in welcher Unterstützungsstufe das Bike sich befindet, kann das Smartphone per SP-Connect-Case an der in den Vorbau integrierte SP-Connect-Halterung befestigt werden. Wie beim S5 dürfte der Smartphone-Akku jedoch durch die permanente Verbindung in Mitleidenschaft gezogen und rasch geleert werden. Wir konnten dies nicht testen, da die App-Software bei unserem Pre-Launch-Modell noch nicht in vollem Umfang mit dem S4 unterstützt wurde.
Mit den neuen E‑Bike-Modellen will Vanmoof gewissermaßen das fortsetzen, was mit dem S3/X3 2020 versucht wurde: ein erschwingliches Pedelec anzubieten, das eine große Gruppe an Kund:innen erreicht. Während Vanmoof mit S3/X3 technische Probleme – unter anderem mit der Schaltung – hatte, dürfte das beim neuen Modell nicht passieren. Denn das S4/X4 ist nicht nur bei der Schaltung solider aufgestellt, sondern es ist weniger verspielt als ein S3 mit Matrix-Display oder ein S5 mit Halo-Ringen.
Das S4/X4 kann als eine aufs Wesentliche reduzierte Version der Vanmoof-E‑Bikes verstanden werden, bei der es neben dem markanten Design aufs Radfahren und ein einfaches Handling ankommt. Auf die charakteristischen Vanmoof-Features wie das bequeme Kicklock und den Turbo-Boost-Button muss dennoch nicht verzichtet werden.
Auch die smarten Funktionen der Smartphone-App für Android und iOS stehen bereit und ergänzen das E‑Bike etwa um die „Alarmanlage“, diverse Klingeltöne und den Wechsel der Unterstützungsstufen. Mehr Funktionen wie eine justierbare Gangschaltung und die Integration in Apples Wo-ist-Netzwerk bietet derweil nur das S5/A5.
Für 2.200 Euro bietet Vanmoof ein schickes Pedelec mit hohem Fahrkomfort. Die neuen, lebendigeren Farben dürften neben dem geringeren Preis neue Kund:innenschichten ansprechen: Denn anstelle von Hell- und Dunkelgrau bietet Vanmoof das S4 und das X4 in einem hellen und einem dunklen Grün („Foam Green“ und „Evergreen“) sowie einem knalligen Gelb („Sunbeam Yellow“) und in Violett („Purple Fog“) an.
Seit dem 9. Mai ist zunächst die S4/X4-Modelle in „Evergreen“ bestellbar, „Purple Fog“ soll ab Ende Mai, „Sunbeam Yellow“ ab Ende Juni und „Foam Green“ ab Ende Juli erhältlich sein. Mit diesen relativ zeitnahen Verfügbarkeiten zeigt Vanmoof, dass die Zeiten der Lieferengpässe vorbei sind. Beim S5/A5 sah das Ganze noch anders aus: Nach der Vorstellung im April 2022 sollte es im Juli in den Handel kommen. Jedoch erhielten Kund:innen die Topmodelle erst ab Oktober – und später.
Vor einem Kauf ist zudem stets ratsam, eine Probefahrt zu machen. Diese bietet Vanmoof in seinen eigenen Locations an, die in einigen deutschen Städten verfügbar sind. Im Laufe der nächsten Wochen und Monate will der Hersteller sein Service-Netzwerk weiter ausbauen, um sich endlich stärker um den Bereich After-Sales zu kümmern.