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Ally oder Abzocke? So geht Marketing zum Pride-Month

Zum Pride-Month ist es längst Tradition, dass Marken ihr Logo auf Social Media mit Regenbögen hinterlegen und #PrideMonth tweeten. Pride-Collections werden auf den Markt gebracht und Statements werden veröffentlicht. Der Großteil der Pride-Kampagnen ist dabei weder Purpose noch Haltung – sondern Rainbow-Capitalism, wie es in den USA mittlerweile genannt wird.




Purpose und Haltung: Reichen Statements aus?

Purpose ist nicht, sich auf Social Media zu allen sozialpolitischen Vorgängen zu äußern und „Haltung zu zeigen“. Der Corporate-Purpose gehört zur Unternehmensidentität und beeinflusst das gesamte Tagesgeschäft. Der Definition von Annette Bruce und Christoph Jeromin nach muss ein Purpose nicht einmal eine soziale Unternehmensaufgabe sein, sondern ist ein Führungs- und Steuerungsinstrument. Grundlegend wird Verantwortung für das wirtschaftliche Tun übernommen. Verknüpft wird der Begriff meist mit der Corporate-Social-Responsibility, kurz CSR. CSR heißt, dass Unternehmen eine gesellschaftliche Verantwortung haben und dieser über Compliance-Regulierungen hinaus nachkommen. Für die genaue Verknüpfung von Purpose und CSR, und in welchen Unternehmensbereichen das stattfindet, gibt es verschiedene Modelle.

Ein Purpose muss wie die Werte, Mission und Vision eines Unternehmens ausformuliert und definiert werden. „Wir sind ein gutes und verantwortungsbewusstes Unternehmen“ ist sinnlos – der Satz hilft nicht bei der Entscheidungsfindung. Soll ein Bauteil eingekauft werden, weil das Material haltbar ist, wenig verschleißt und damit den Konsument:innen Reparaturen und Nachkäufe erspart? Oder soll es nicht gekauft werden, weil die Produktion umweltschädlich ist oder die Produzent:innen die Angestellten schlecht bezahlen? Neben dem schwammigen Ausdruck ist es nicht realistisch, moralisch fehlerfrei zu agieren und überall Veränderungen zu erwirken. Die größte Wirkung wird durch gebündelte Kraft erzielt: Anstatt 100 Organisationen einen Euro zu spenden, ist es hilfreicher, einer Organisation 100 Euro zu spenden.

Purpose als Handlungsgrundlage beeinflusst ausnahmslos alle Unternehmensentscheidungen. Awareness für ein Problem nach außen zu schaffen, ist also nur eine Maßnahme aus einem ganzen Katalog, nur ein Wort aus dem ganzen Duden. Dazu kommen Spenden, personelle Hilfe (Stichwort Corporate-Volunteering), Sensibilisierung von Mitarbeitenden, die Anpassung interner Strukturen, die Überprüfung der Supply-Chain, die Erhöhung der Diversity in Entscheidungsgremien, die Gewährleistung von Barrierefreiheit in den Standorten und auf den Plattformen und viel mehr. Das heißt: Nein, bunte Logos und ein paar Tweets mit rhetorischem Support der queeren Community sind keine Haltung, kein Purpose und bringen rein gar nichts!

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Klischees, Tokenisierung und weitere No-Gos

Die Zusammenfassung ist: Bitte kein Pride-Marketing machen, wenn das Unternehmen den Rest des Jahres nichts für die queere Community tut oder im schlimmsten Fall gegen sie agiert. Selbst wenn eine Kampagne ehrliche Unterstützung vermitteln soll, dann vermeide Folgendes:

Da 2020 die Christopher-Street-Day-Paraden nicht stattfinden konnten, hat die Deutsche Bahn eine Pride-Lok eingeführt und dazu einen Spot produziert. Eigentlich macht die DB viel richtig: So haben sie mit „railbow“ ein eigenes LGBTIQ*-Netzwerk für Mitarbeitende und mit #Einziganders eine Initiative für Diversity im Unternehmen. Intern wird daran gearbeitet, ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld und psychologische Sicherheit für alle zu gewährleisten. Die DB kooperiert mit Prout at Work, die dort unter anderem Beratungen zum Coming-Out am Arbeitsplatz anbieten. Nach außen sorgen mit Regenbogenflaggen beklebte Züge und die Pride-Lok ganzjährig für Sichtbarkeit. Deswegen fiel die Kritik immerhin auch konstruktiv und nicht als Shitstorm aus: Der Werbespot nutzte ausschließlich Klischees.

Die Überspitzung von Klischees und Bildern sei eine Stilisierung, meinen Unterstützer:innen. Das mag sein, dennoch ist es Humor auf dem Rücken der Menschen, die eigentlich unterstützt werden sollen. Alles, was nicht heteronormativ ist, wird zum Witz gemacht. Das ist so einigen sauer aufgestoßen.




Bereicherung an diskriminierten Menschen

Ein Kommentar, der bei Regenbogen-Produkten oft kommt, ist: „An wen wird der Umsatz gespendet?“ Es sollte ein maßgeblicher Anteil der Einnahmen durch Pride-Kampagnen an Organisationen gespendet werden, die LGBTQIA+-Menschen unterstützen. Auf keinen Fall darf der Eindruck entstehen, dass sich Unternehmen an diskriminierten Menschen bereichern!

Erstens: Menschen gleich Brötchen? Zweitens: Queere Sprache wird falsch verwendet. Zwei Tops und zwei Bottoms? Eingekästelt: Kommentare, die nach Spenden fragen. (Screenshot: Burger King Austria via Instagram/t3n)




Unternehmen in den Mittelpunkt stellen

Beim Pride-Month geht es nicht um dein Unternehmen, also versuche nicht, es in den Vordergrund zu rücken. Kampagnen werden wegen guten Inhalten oder Stories erfolgreich, nicht weil das Logo so schön groß war. Fokussiere dich auf die Menschen und die Sache. Auch die Entwicklungsgeschichte deines Unternehmens hat dort nichts zu suchen. Queere Menschen sind kein Symbol, keine Metapher, kein Sprungbrett für das eigene Wachstum – ob persönlich oder des Unternehmens. Auch das ist eine Art, sich selbst in den Vordergrund zu rücken.




Regenbogen-Produkte teurer gestalten als reguläre Versionen

Abgesehen davon, dass es wieder ein Klischee ist, dass die gesamte LGBTQIA+-Community sofort alle Produkte mit Regenbogen kauft, ist es frech, wenn die teurer sind als die reguläre Version. Deutlicher kannst du nicht mitteilen, dass dir diese Menschen egal sind und du gern ihr Geld hättest.




Queere Sprache annektieren

Wie in jeder Gruppe von Menschen haben sich auch in den queeren Communitys eigene Phrasen entwickelt. „Yaasss“, „Slay“, „Queen“ – diese Phrasen haben Unternehmen so oft verwendet, bis sich die Bedeutung verschoben hat, sodass sie jetzt ironisch verwendet werden.




Tokenisierung von (vermeintlich) queeren Mitarbeitenden

Wenn es um die Darstellung jeglicher Art von Diversität geht, werden gern die optisch auffälligsten Personen ausgewählt, die dem konservativen Erscheinungsbild widersprechen: Männer mit Nagellack oder Make-up, Personen mit bunten Haaren oder einem auffälligen Kleidungsstil. Das ist wieder ein Klischee – alle queeren Personen sind „bunte Vögel“ –, außerdem wird damit das sogenannte Othering betrieben: Eine Personengruppe wird als „speziell“ und „anders als normal“ präsentiert und damit von der eigenen Personengruppe als „fremd“ abgespalten. Das ist ein Gegenteil von Inklusion und Gleichberechtigung.




Die Zielgruppe für dumm verkaufen

Alle Fehler haben gemeinsam: Sie sprechen queeren Menschen ihre Intelligenz ab. Natürlich merken es Konsument:innen, wenn es bei einer Marke kein Engagement und rein cis-heteronormative Werbung und Sprache gibt – und plötzlich zum Pride-Month die Regenbogenflaggen aus dem Fenster hängen.

Das betrifft auch Agenturen: Häufig wird mit ehrlicher Kommunikation auf Augenhöhe und Transparenz geworben. Auch das ist leere Behauptung statt Corporate-Purpose, wenn Kund:innen nicht darauf hingewiesen werden, wenn Kampagnen Rainbow-Capitalism, Green- oder Bluewashing betreiben. Beispiele für Rainbow-Capitalism seht in der Bildergalerie:

13 peinliche Pride-Month-Werbefails




Echte Allyship schaffen und zeigen

Bei gesellschaftlichem Purpose muss der Profit sekundär sein. Denn in dem Moment, in dem sozial agiert wird, um Profit zu steigern, ist es nicht mehr sozial. Wenn die sozialen Bestrebungen ehrlich und umfassend und ohne Umsatzgedanken sind, kommen die Kund:innen als Folge von allein.




Spende einen signifikanten Teil der Umsätze!

Wer Geld verdient, indem diskriminierten Personen Unterstützung versprochen wird, muss auch Wort halten und dieses Geld mindestens anteilig an legitime Organisationen spenden. Mit Anteil ist dabei eine Größenordnung von 50 Prozent oder ähnlich gemeint – idealerweise wird alles gespendet.




Queere Künstler:innen oder Marken einbinden

Insgesamt sollte für die Kampagne queere Personen oder Influencer:innen ins Boot geholt werden. Wer unbedingt Regenbogen-Produkte verkaufen will, arbeitet am besten mit queeren Künstler:innen oder Marken für Designs und Produkte zusammen. Nachdem Target 2021 mit einer Pride-Collection ins Klo gegriffen hat, wurde 2022 dieser Ansatz verfolgt. Dafür haben sie Lob von der queeren Community auf Tiktok erhalten. Vor allem die Unterwäsche kam gut an, denn es gab Compression-Tops und Unterhosen ohne Eingriff.




Queere Sichtbarkeit das ganze Jahr über

Prüfe verwendete Bilder und Sprache. Ist sie cis-heteronormativ? Sind nur weiße Paare aus Mann und Frau abgebildet? Sind sie ausschließlich unauffällig, konservativ gekleidet? Sind irgendwo trans-Personen oder queere Personen und Paare abgebildet? Gibt es Menschen, die mit den konservativen Kleidungsvorschriften brechen? Und vor allem: Wenn ja, werden sie tokenisiert, also hervorgehoben als „anders als der Rest“? Oder werden sie einfach als „normaler“ Teil der Gesellschaft präsentiert? Das Ziel sollte sein, die Gesellschaft realistisch zu repräsentieren und anzusprechen: Personen der LGBTQIA+-Community abzubilden, ohne sie als „anders“ abzugrenzen, Vielfalt in der Sprache durch Gendern oder vielfältige Beispiele zu zeigen und auch außerhalb des Pride-Months öffentlich über LGBTQIA+-Themen zu sprechen.




Queerinklusiver Arbeitsplatz

Idealerweise sind die queerfreundlichen Bemühungen nicht nur nach außen gerichtet, sondern auch nach innen ins eigene Unternehmen. Dabei helfen Initiativen wie Prout at Work mit Workshops, Beratungen, Guides und mehr. Ein queerfreundlicher Arbeitsplatz besteht unter anderem aus psychologischer Sicherheit, Sensibilisierung von Mitarbeitenden und Führungskräften für Pronomen, Genderidentitäten und Biases bei Einstellungen oder Beförderungen, gegenderte Sprache und die Bildung eines LGBTQIA+-Netzwerks oder Unterstützung von Mitarbeiter:innen-Initiativen.




Allys feiern den Pride-Month, der Kapitalismus aber bleibt

Dem Vorwurf des Rainbow-Capitalism wird sich kaum eine Marke entziehen können, egal wie gut sie es meint: Am Ende geht es darum, Produkte zu verkaufen und Umsatz zu erzielen. Wichtig ist, die Hintergründe des Pride-Months zu kennen und ihn nicht zu behandeln wie ein weiteres witziges Marketinginstrument wie den Tag der Jogginghose. Allys feiern den Pride-Month mit der Community, die sie ohnehin das ganze Jahr hindurch unterstützen. Sofern in den Kampagnen echte Wertschätzung und echte Unterstützung von einer Marke deutlich wird, die auch außerhalb des Pride-Months engagiert ist, besteht die Chance, dass die Communitys das positiv auffasst.

Fast fertig!

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