Wenn die Kryptobörse Insolvenz anmeldet: Das müssen Anleger wissen
FTX, Genesis oder Blockfi: Seit Mitte 2022 sind einige Kryptounternehmen pleitegegangen. Wer die Services nutzte, steckte meist mit drin. Vielfach wurden die Token von Kund:innen eingefroren, wenn die Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten gerieten. Dann begann das Warten und Bangen, wie viel die Kund:innen von ihren Werten wieder ausgezahlt bekamen – oder ob überhaupt etwas.
Der Grund: Kryptobörsen und andere Kryptounternehmen verwahren zumindest zeitweise die Assets ihrer Kund:innen. Dann ist die Frage: Gehen die Kunden-Assets in die Insolvenzmasse ein oder nicht? Wer auf eine Auszahlung der eigenen Token hofft, muss oft lange warten und bekommt häufig nicht alles zurück.
Mit Insolvenzen deutscher Unternehmen beschäftigt sich Rechtsanwalt Phil Hamacher. Er berät für die Kanzlei ATN unter anderem Kryptoanleger:innen. Meldet eine Kryptobörse oder ein Verwahrer Insolvenz an, rät er dessen Kund:innen zu Ruhe. „In diesem Stadium sind oftmals die Mitarbeiter des Unternehmens nicht mehr erreichbar“, sagt Hamacher.
Um Ansprüche auf die eigenen Krypto-Assets geltend zu machen, könnten sich Betroffene dann an die vom Insolvenzgericht bestellten Personen wenden, zum Beispiel vorläufige Insolvenzverwalter:innen. „Das sind oft sehr erfahrene Personen, die mit viel Weitsicht Informationen für Gläubiger zusammenstellen, aber auch von ihnen benötigen.“
Ist das geschehen, heißt es für die Anleger:innen geduldig sein und das Verfahren abwarten. „Wird die Herausgabe der Token im Insolvenzverfahren verweigert, sollte ein fachkundiger Rechtsanwalt aufgesucht werden. Sind mehrere Kunden betroffen, könnte ein Zusammenschluss als Interessengemeinschaft sinnvoll sein“, rät der Anwalt.
Viele Krypto-Anleger:innen verwalten ihre Assets nicht selbst, sondern greifen auf Dienstleister zurück. Für diese Firmen vergibt seit 2020 in Deutschland die Finanzaufsicht Bafin Lizenzen. Alles geregelt ist dadurch aber nicht. Kommen Kryptoverwahrer in Zahlungsschwierigkeiten und steht ein Insolvenzverfahren an, können davon auch die verwahrten Kundengelder betroffen sein.
„Wenn Kunden im Fall einer Krise und Insolvenz des Verwahrers ihre Kryptowerte herausverlangen, haben sie keinen direkten gesetzlichen Aussonderungsanspruch, also kein Recht auf eine Auszahlung“, erklärt Hamacher.
Stattdessen zähle, was zwischen Kund:in und Verwahrer vertraglich vereinbart ist und wie der Dienstleister mit den Kund:innen-Assets umgeht, so der Experte. Gut für die Betroffenen ist, wenn der Verwahrer jederzeit die ihm anvertrauten Werte den Kund:innen zuordnen kann und diese Assets immer von denen des Unternehmens getrennt werden.
Hält sich der Verwahrer aber nicht an diese zwei Grundsätze, haben Kund:innen keinen Aussonderungsanspruch, also kein Recht auf Auszahlung ihrer Kryptowährungen. „Den Kunden bleibt dann allenfalls eine Insolvenzforderung, die auch andere Gläubiger an das Unternehmen stellen. Anleger bekommen in dem Fall oft nur einen Bruchteil ihrer Assets wieder, und das auch erst, wenn das Verfahren beendet ist“, sagt Hamacher.
Das könne für Anleger:innen frustrierend sein, wenn sie Jahre auf das Ende des Insolvenzverfahrens warten und dann trotzdem nur einen einstelligen Prozentsatz ihrer Einlagen wiederbekommen, sagt der Insolvenzexperte.
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„Besonders den meisten deutschen Verwahrern ist ihre Verantwortung für die Werte der Kunden aber durchaus bewusst und sie bauen den Kundenschutz schon allein aus eigenem Interesse aus“, sagt der Experte. Er rät deshalb dazu, sich genau anzuschauen, wie die Unternehmen arbeiten.
„Kunden sollten ihre Werte nur deutschen Instituten anvertrauen, die auch eine gültige Erlaubnis der Bafin haben.“ Die Finanzaufsicht brauche teilweise Jahre, um die Unternehmen zu prüfen und die Erlaubnis für die Kryptoverwahrung zu erteilen, sagt der Experte.
Das Zukunftsfinanzierungsgesetz sieht eine Änderung für Kund:innen von deutschen Kryptoverwahrern vor. „Seit Mitte August gibt es einen Regierungsentwurf dafür, der wohl noch in diesem Jahr verabschiedet wird“, sagt Hamacher. Dann würden Kryptoanleger:innen ein Aussonderungsrecht haben, auch wenn sich der Verwahrer nicht an die Grundregeln hält.
Doch nicht alle EU-Länder sind bereits so weit wie Deutschland. „Die europäische Kryptoregulierung MiCAR enthält zwar das Bestimmtheitsgebot und den Trennungsgrundsatz, aber kein unmittelbares Aussonderungsrecht“, erklärt Hamacher. Das müsse erst noch von den Staaten umgesetzt werden.
Im Fall einer Insolvenz kann es sein, dass Kund:innen keinen Zugang zu ihrem Kund:innenkonto beim jeweiligen Anbieter mehr haben. „Das hat zum Beispiel die Insolvenz von FTX im November vergangenen Jahres gezeigt: Das Kundenkonto und die App waren kurz nach Bekanntwerden der Krise nicht mehr zugänglich“, sagt Hamacher.
Um trotzdem belegen zu können, welche Assets verwahrt wurden, rät der Rechtsanwalt dazu, regelmäßig Kontoübersichten herunterzuladen und abzuspeichern. „Solche ‚Kontoauszüge‘ stellen viele Verwahrer zur Verfügung“, sagt Hamacher.
Wer diese Möglichkeit nicht hat, sollte Screenshots anfertigen, die eine Übersicht über die verwahrten Werte geben. „Auch ein Screenshot kann Beweiswert haben“, sagt der Insolvenzexperte. Gut wären auch zusätzliche Informationen wie zum Beispiel Datum und Uhrzeit. „Das dient auch der Dokumentation, weshalb sich solche Momentaufnahmen vor allem nach Bestandsveränderungen anbieten“, erklärt Hamacher.